Das gewissende Feld
Ich war heute joggen und habe das auf Facebook gepostet. Warum? Warum nicht? Darüber will ich bloggen.
Vor der Landung auf diesem Thema fliege ich aber mit Euch eine exkursive Schleife in sicherer Höhe, damit der Nebel der Begrifflichkeit sich lichten möge.
Ich bin verliebt. In mein neuronales Geschwätzt. Und das geht ungefähr so: Es war eher die esoterische Ecke, aus der mir vor einigen Jahren der Begriff des wissenden Feldes entgegengekrochen kam. Ich habe ihn sofort in mein Herz geschlossen und so verstanden, wie es für mich gut war.
Man stecke eine Gruppe beliebiger Anzahl von Menschen in einen echten (oder virtuellen Raum) und auf der Stelle ist ein Wissen da, das ein Overkill der Summe der Einzelhirne ist. So kommt es, dass einige Schüler plötzlich gleichzeitig zur Tür blicken und wissen, dass es gleich laut wird. So kommt es, dass die Fans im Stadion genau den einen Namen des Spielers singen, der ihre Unterstützung am besten gebrauchen kann. So kommt es, dass alle am Tisch schweigen, weil das erste Wort das falsche wäre. So kommt es, dass alle im Fahrstuhl wissen, wer unter ihnen der böse ist. So kommt es, dass alle Besucher im Theater wissen, dass die heutige Aufführung ein ganz besondere ist. Warum auch immer.
Weniger ist es so, dass jeder im Raum eine der Nachkommastellen von PI [ 3,14159 26535 89793 23846 26433 83279 50288 41971 69399 37510 58209 74944 59230 78164 06286 20899 86280 34825 34211 70679 … ] kennt und dadurch alle Zusammen PI auf die Reihe bekommen. Was sich dort vereint, ist nicht das Wissen im Geiste, sondern die Intuition, das Wissen in der Tiefe. Das sichere Wissen in der Tiefe.
Wenn die Menschen in der Gruppe bereit sind, Ihrer eigenen Intuition und der Intuition der anderen zu trauen, ensteht kollektive Intuition, das wissende Feld.
So will ich das verstanden haben.
Wir landen
Vor wenigen Minuten war ich joggen. Und ich habe das auf Facebook gepostet. Warum? Warum nicht?
Mein Auto bekommt neue Reifen und auf die Frage, wie ich von der Werkstatt nach hause komme, antwortete mir meine Intuition: Zu Fuß. Gehen dauert lange. Also laufen.
Gesagt, getan, gepostet.
Und damit bin ich nicht allein. Der eine hatte einen runtastischen Lauf, der andere schwomm seine wöchentlichen 1.000 Meter, Svenja kann fast alles und sagt: „Wenn ich das kann, kannst Du das auch“. Manche nehmen auf Facebook kiloweise ab und andere gehen endlich mal wandern oder mit den Kindern schwimmen. Andere glauben immer noch, stolz darauf sein zu können, so viel im Büro zu arbeiten.
Es ist keine gute Zeit, in der man ein schlechtes Gewissen entwickelt, auf Facebook von seinem Urlaub zu erzählen, während andere arbeiten. Das ist keine gute Zeit.
Ich habe Urlaub. Jetzt. Und ich war joggen.
Kürzlich schrieb mein Freund Echtlund Striep (* Name geändert, damit der nicht sauer ist) auf Facebook, dass er diese Streber-Posts schon doof findet. Er fragt laut, warum die alle joggen, abnehmen, basteln, arbeiten, spenden, Holz hacken, Rasen mähen, schwimmen, gesund essen und davon auf Facebook erzählen. Er nannte uns Streber.
Ich finde das falsch.
Streber sind die, die sich erstens für besser als andere halten und zweitens – das ist viel wichtiger – niemanden abschreiben lassen.
Wir sind die, die ab und zu ihren Hintern erheben. Das macht uns immer wieder ein bißchen stolz, ein bißchen zufrieden und sogar ein bißchen glücklich. Und wenn mein eigener Hintern wieder zu platt ist, bin ich froh, dass meine Facebook-Freunde mich mit ihren stolzgeschwellten Posts motivieren und inspirieren, mal wieder in Bewegung zu kommen.
Ich nenne das ab jetzt …
Das gewissende Feld
Niemand macht mir ein schlechtes Gewissen. Das kann auch keiner. Niemand macht Dir ein schlechtes Gewissen. Das kann auch keiner. Außer ich und Du.
Mein schlechtes Gewissen mache ich, und Du machst Deins.
Die vermeintlichen Streber und Angeber, auf die Du, lieber Echtlund, so gereizt reagiert hast, dienen Dir als Spiegel. In ihnen siehst Du, was Du nicht tust. Und es ist mehr als verständlich, dass Dich das ärgert. Und das schlechte Gewissen kommt dann auch noch aus der Deckung. Damit wird es doppeldoof.
Aber wichtig ist dabei, wie so oft und immer, das Motiv der anderen.
Das gewissende Feld macht das nicht, um Dich zu ärgern. Sei uns also nicht böse, dass wir joggen und davon erzählen. Lass uns bitte unsere mehrminütige Freude, unseren kleinteiligen Stolz.
Zieh‘ Dir lieber Laufschuhe an oder schwing Dich auf’s Rad. Mal ein Bild oder mäh‘ den Rasen. Geh‘ in die Wanne oder ins Schwimmbad.
Lass Dich vom Feld inspirieren und motivieren.
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