Die Waschmaschine, viele Fotos und eine späte Entdeckung

Die meisten Menschen auf der großen Welt haben noch nie eine Waschmaschine zerlegt. Heute morgen gehörte ich auch noch dazu.

Aber am Anfang fängt es an.

Es häufte sich, dass unsere Klamotten plötzlich kleine Löcher hatten, die da nicht hingehörten. Und es bestätigte sich nach eingehender Beobachtung, dass nur ein Täter in Frage kam: unsere Waschmaschine.

Wer macht denn so was?

So haben wir also in unserer Waschmaschine und deren Trommel nach allerlei Haken, Häkchen und deren Artverwandten gesucht. Gefunden: nichts. Auch beim Drehen der Trommel keine auffälligen Tönchen. Wo nicht ist, kann auch nichts Löcher machen. Wir stehen still. Ratlos.

Aber die fiese Maschine hielt nicht lange still und die nächsten Löcher waren gemacht. Danke, das genügt.

Mein heutiges Projekt hat einen Namen.

Der gewiefte Waschmaschinenüberführer greift natürlich nicht sofort nach Messer und Gabel, sondern er stöbert zunächst im gleichgesinnten Opferkreis. Im Internet.

Die Tipps gehen von scharfen Reißverschlüssen (können wir ausschließen), freigewordenen BH-Bügeln (keine gefunden), losen Schrauben (ach was) und porösen Gummidichtungen (unsere sind geschmeidig). Somit kucke ich noch hier, und hier oder auch hier. Eine letzte gefundene Erklärung stemmt sich gegen deren klitzekleine Wahrscheinlichkeit:

Auf der Außenseite der Trommel könnte sich ein Metallspan gebildet haben, die Wäsche schlupft beim Schleudern durch die kleinen Löcher, hakt sich ein und: Krrrrzzzzt. Loch. Echt unwahrscheinlich aber erstaunlich plausibel.

Allerdings sprechen die schlauen Menschen im Web von der großen Unsinnigkeit, das beheben zu wollen. Es wird über Kosten von bis zu 800 Euro gefachsimpelt und der dringenden Empfehlung, dieses Geld an einen Fachmann zu zahlen, der schweres Gerät im Gepäck hat.

Nun ist es so: Ich habe eine Laubsäge, mehrere Imbusschlüssel von Ikea und so’n Kasten von Proxxon. Ein Fachmann bin ich auch. Zwar nicht für Waschmaschinen, aber immerhin.

Mein heutiges Projekt kann in die handfeste Phase übergehen.

Tipp des Monats

An dieser Stelle möchte ich kurz für einen Zwischenruf unterbrechen, denn das solltet Ihr wissen:

Wenn Ihr etwas auseinander baut, dass Ihr erstens noch nie zerlegt habt und zweitens anschließend wieder zusammensetzen wollt, dann nutzt die digitale Welt und macht Fotos. Viele Fotos. Das hat drei entscheidende Vorteile:

  1. Ihr habt damit eine Checkliste zur vollständigen Instandsetzung.
  2. Ihr dokumentiert damit die Reihenfolge für den Zusammenbau. In rückwärts.
  3. Ihr könnt auf den Fotos genau sehen, wo der blaue und rote Draht hingehören und wie herum der Prengel auf dem Sockel saß.

Das beruhigt ungemein, hilft aber nicht immer, wie Ihr gleich noch lesen werdet.

Los geht’s

Ich schraube auf, sammle Schrauben, mache Fotos, löse Riemen, Stecker und Schläuche, mache Fotos, baue gewichtige Steine aus, demontiere Blenden und überlege jeden einzelnen Schritt ganz genau. Und vor jedem Griff zum Werkzeug geht der Griff zum iPhone. Ich mache Fotos.

Es kommt der Zeitpunkt an dem ich sicher bin, dass oben nichts mehr zu holen ist. Der  Korpus, der die Trommel enthält liegt nahezu frei. Ab nach unten. Ich lege den Brummer auf die Seite.

Stabile Seitenlage

Ich löse Schläuche, trenne Kabel und baue einen Elektromotor aus, wie ihn sich so mancher Fahrradfahrer nachts erträumt. Mit Rahmenverstärkung. Und ich mache Fotos. Dann scheint es nur noch das Abflussgummidings zu sein, und der Korpus könnte ausgebaut werden.

Anders als man denkt

Ich greife erneut zu iPhone und Rohrzange, widme mich der Schlauchzwinge um diese zu lösen und habe plötzlich dieses Stechen im Auge. Bildlich metaphorisch.

Da kuckt doch glatt so ein langes, dünnes Etwas ca. 4 cm aus dem Gummiablussgedöns?!

Beherzt zugegriffen habe ich Sekunden später einen BH-Bügel in den Fingern und weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Also fotografiere ich das Ding erstmal. Anschließend fluche ich dann laut. Und freue mich.

Das Ding saß wohl so, dass die beim Schleudern durch die Löcher schlüpfenden Feinstoffe vom Bügel erfasst und perforiert wurden. Hinterhältig, gnadenlos und mit der Präzision eines Waschkeller-Chirurgen.

Gummiabflussgedöns (BH-Bügel ist schon rausgezogen)
Der Übeltäter (hoffentlich!)

Mein heutiges Projekt hat eine Perspektive.

Ab jetzt geht es rückwärts. Zuerst hole ich mir aber ein wohlverdientes Bier und ziehe die Fotos auf den Rechner. Die brauche ich ja jetzt.

Eine kleine Pause nach 3,5 Stunden ist vertretbar.

Der Zusammenbau gelingt mir spielend, es geht flott voran und die Fotos erweisen sich als unbeachteter als zuerst gedacht. Nach einer weiteren Stunde sind alle Schrauben verbraucht, und ich bin bereit für einen Probelauf. Die Waschmaschine auch. Dachte ich.

Ich wähle ein Kurzprogramm und drücke auf Start, doch die Maschine piept laut und unwillig. Die heutigen Geräte sind offenbar sehr empfindlich, denn das gute Stück stört sich daran, dass ich vergessen hatte, die Tür einzubauen. (Davon hatte ich in der Tat auch kein Foto gemacht.) Die Tür wird allerdings nur mit zwei Schrauben befestigt und wenige Minuten bin ich also bereit, für den zweiten Probelauf. Die Maschine auch. Dachte ich.

Kurzprogramm. Start. Seltsame Geräusche. Mist! Ich hatte vergessen das Wasser aufzudrehen, was ich zügig nachhole. Ich höre förmlich, wie sich der Maschine Schläuche rasant füllen und sehe Sekunden später, wie sich einige davon offenbar auch sofort wieder entleeren. Unter der Maschine eine feine Pfütze und im Display ‚F23‘. Lautes Piepen als Zugabe.

In aller Unruhe drehe ich das Wasser ab, spüre meine Nerven und gehe gelöst nach oben. Einfach mal um die Kinder kümmern. Von der Waschmaschine aber nicht losgelassen ergrübel ich folgendes: Da waren doch diese beiden Schläuche von der Spülmittelschublade direkt nebeneinander, und ich wollte auf den Fotos nachschauen, welcher links und welcher rechts aufgestopft werden muss. Das hatte ich komplett vergessen, die Maschine zugeschraubt, und somit waren links und rechts jetzt erstmal keine Schläuche. Das erinnerte ich und der Optimismus kehrte um und zurück.

Kinder, ich bin mal kurz im Keller

Das, was jetzt kommt, glaubt Ihr mir nicht.

In der Halbzeitpause des Eröffnungsspiels der Fußballeuropameisterschaft 2012 gehe ich also wieder in den Keller, brauche keine fünf Minuten für Deckel auf, Schläuche dran und Deckel zu und die Erlangung der Gewissheit, dass nun alles gut wird. Ich bin bereit für den dritten Probelauf. Die Maschine auch. Wirklich.

Der Sack

Ein Fehler ist erst dann ein Fehler, wenn man ihn wiederholt. So drehe ich als erstes den Wasserhahn auf, und …

… habe einfach so den Knauf in der Hand. Das Wasser sprudelt mir fröhlich entgegen und Lethargie wird mein Freund. Gelassen und überdurchschnittlich nass drehe ich den Haupthahn zu, hole mir einen überdimensionierten Behälter, stelle diesen unter den halben Hahn und fordere Fortuna zum Duell. Zuerst drehe ich den Knauf wieder auf den Hahn, drehe dann den Haupthahn auf warte auf die Explosion.

Mit Kurt Felix ist ja nicht mehr zu rechnen.

Um es kurz zu machen: Nichts leckt mehr, der Probelauf lief rund und ich bin nun nach einem fast sechsstündigen Einsatz ein mehr als geprüfter Fachmann. Auch für Waschmaschinen.

Na, wer steht jetzt noch von uns beiden?

Wenn nun noch die Fachfrau für Wäsche ihr Campingwochenende hinter sich hat und wieder zu uns gestoßen ist, werden wir erfahren, ob ich den richtigen Täter überführt habe oder die Trommel doch noch ausgebaut werden will.

Das wird ein Spaß!

[ Nachtrag // 12 Stunden später ]

Ich fuhr heute in den Baumarkt und zeigte dem netten Kerl mit Piercing (Sanitärabteilungs-stereotypisch) ein Foto des befeindeten Wasserhahns. Auf dem Foto konnte er die Gewindegröße natürlich nicht erkennen.

Fotos werden total überschätzt.

So fahre ich wieder nach hause und schwöre mir, heute keine Fotos mehr zu knipsen. Mir ist eher nach schießen.

Er gab mir aber optimistisch den Tipp mit auf den Weg, dass eine Verkalkung die Ursache sein könnte und ich solle das Ventil mal in Essig einspeicheln. Ich lege also unser Haus trocken indem ich das gesamte Wasser aus dem Haus in den Gulli schwemmen lasse und baue den Hahn aus. Entgegen des Tipps erweist sich das Essigbad nach genauer Betrachtung des Ventils für einen überspringbaren Zwischenschritt.

Essig heilt keinen Ventilabriss.

Ventilabriss ohne Chance auf Genese

Ein zweiter Marsch zum Baumarkt kostet mich ca. 9,- Euro. 7,- Euro für ein neues Ventil, jeweils 1,- Euro für zwei lustige Deutschlandfahnen. Die Welt ist so schön bunt damit.

Gepiercte Sanitärabteilungsberater sind sehr, sehr starke Menschen.

Das einfache Abziehen des Knaufes um das Ventil einzuschrauben hatte er mir noch mit flinken Händen LIVE im Baumarkt gezeigt. Ich benötige daheim keine 45 Minuten und greife nach erfolglosem Einsatz mehrerer Zangen und Hammer zur Bohrmaschine. Kein Scherz. Ein undekoratives Loch im Knauf, ein solider Bolzen und ein fester Schlag mit einem tödlichen Hammer später ist der Knauf locker abgezupft.

Ich gewinne. Immer.

Wir können wieder ohne Angst vor einer Sintflut schlafen, die Waschmaschine bekommt endlich wieder richtig Wasser, steht an ihrem Gott-gegebenen Platz und den Trockner habe ich ganz alleine daneben auf den Sockel gehoben. Das spart Zeit. Der Keller ist gewischt, der zweite Probelauf läuft und schwindelig ist mir auch nicht mehr. Nicht mehr so viel.

Jetzt drücke ich auf ‚Speichern‘, spurte zum Sofa und hole mir die drei letzten der 160 goldenen Steine von Lego Star Wars.

Ich gewinne. Immer.

5 Kommentare

  • Ich bewundere deinen Mut, so etwas überhaupt in Angriff zu nehmen. Ich habe für den ganz normalen Anschluss der Maschine schonmal einen ganzen Tag gebraucht. Hoffen wir mal, dass der Bügel auch der wahre Übeltäter war.

  • Fantastische Geschichte. Hat Spaß gemacht deinem Abenteuer zu folgen.

  • Jetzt weiß ich endlich, wen ich anrufen kann, wenn Samstagabend oder Sonntagvormittag meine Heinzung streikt. Dein Artikel zeigt, dass man eine Herausforderung als Chance begreifen sollte. Sofern man die Nerven hat!

  • Was hab ich gelacht über Montage für’s Auge!….Sowas baut einen auf,habe das morgen vor mir.!!!! Nun macht es mir keine Angst und ich gehe mit Humor dranne…Danke Dir!

  • Vielen Dank für die tolle Fotostory.
    Wir hatten beim Abpumpen stets ein Klackergeräusch. Wir haben uns Deinen letzten Arbeitsschritt – Abschrauben des „Gummiablussgedöns“ – zuerst vorgenommen und waren sofort fündig geworden: Ein Bügel wie vermutet!

    Danke und VG

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